IGS Mainspitze bittet ins Cockpit
(Text: P. Cuny, Fotos: V. Scholian)

Für eine Schüler AG wird das Abenteuer Segelflug zum Unterrichtsinhalt


Andreas Onderka gibt Einweisungen für die jungen Flieger.


"Eine ASK 21 am Rheinseil doppelsitzig fertig zum Start, bitte anschleppen - Seil straff - fertig - frei!" Mit diesen Kommandos gibt Schülerin Lisa unter Anleitung einen bilderbuchreifen Segelflugstart frei. Auf 450 Meter klinkt der Pilot den Flieger aus, dreht, während das Seil fällt, nach links ab und sucht nach Thermik. Die Greifvögel in unmittelbarer Nähe haben den Dreh bereits raus und schrauben sich hoch. Der Segler folgt ihrem Beispiel, gewinnt an Höhe und …Doch beginnen wir am Anfang.
In einer Reihe von Unterrichtsstunden hat Physik- und Mathelehrer Peter Cuny die Schüler seiner AG "Mit Kopf, Herz, Hand und Verstand" auf den Besuch des Segelflugplatzes vorbereitet. Wieso ein Flugzeug fliegt, wie man es steuert und warum ein Segler auch ohne Motor oben bleibt, ist für die Sechstklässler längst kein Geheimnis mehr. Nun soll auf die Theorie die Praxis folgen. Und so startet am 2. Juni gegen 14.00 Uhr ein 12-köpfiger Trupp, bestehend aus sieben Schülern drei Lehrern und zwei Elternteilen, im PKW-Konvoi Richtung Oppenheim.
Auf dem satt grünen, frisch gemähten Flugplatz mit Vereinshaus und eigenem kleinen Hangar wird die Gruppe bereits von Andreas Onderka, dem ersten Vorsitzenden des Aeroclub Oppenheim-Guntersblum e. V., erwartet. Eine kompetente Einführung bildet den Auftakt der Veranstaltung und gibt den interessiert lauschenden Teilnehmern Gelegenheit, mit dem Thema warm zu werden. Als Anschauungsmaterial dient ein hochmoderner, zweisitziger Segler aus Glasfaserkunststoff sowie wie ein einsitziger Nostalgie-Segler aus Holz. Während der erstere mit umfassender Instrumenten-Ausstattung und größerem Aktionsradius fasziniert, begeistert der Oldtimer wahre Liebhaber durch das puristische, weitgehend technikfreie Flugerlebnis. Passionierte Segelflieger, so erfährt man, sind immer auch "Wettermenschen". Windrichtung- und stärke sowie thermische Verhältnisse gemäß Region oder Witterung gehören zum Basiswissen. Auch Rekorde aus der Geschichte des Segelflugs kommen zur Sprache. Dass man Hunderte von Kilometern zurücklegen und stundenlang am Himmel schweben kann, wirft bei den Kids eine nahe liegende Frage auf: Wie übersteht man einen solchen Flug ohne Bordtoilette? Mit seiner wahrheitsgetreuen Antwort kann Andreas Onderka so machen Schmunzler auf seiner Seite verbuchen. Denn in der Tat ist auch das ein Abenteuer.


Start-Check am Doppelsitzer

Doch nun steht das eigentliche Abenteuer auf dem Programm - der Flug selbst. Die ASK 21 wird in Position gebracht. Dabei zeigt sich, dass Segelfliegen ein echter Teamsport ist. Startleiter, Flugbuchführer, Seilrückholfahrer, Helfer fürs Anschnallen, Seil einklinken, Zurückschieben nach der Landung; es braucht viele helfende Hände, um in die Luft und wieder auf die Erde zu gelangen.

Doch jetzt ist erst mal der Seilwindenfahrer gefragt. Außerdem haben am Startpunkt zwei Vereinsmitglieder ihre Posten bezogen, um im Telefonkontakt mit dem "Tower" vor Ort Start und Landung zu koordinieren. Die Teilnehmer werden in den beiden Shuttles zum Startpunkt gebracht. Hier stellen die Schüler ihr Geschick unter Beweis - bringen den Flieger gemeinsam in Position und verankern das Seil am Flugzeugrumpf. Dann ist es soweit. Der 12-jährige Leon nimmt als erster hinter dem Fluglehrer Platz. Mit Fallschirm ausgestattet und vorschriftsmäßig angeschnallt kann er durchstarten. Auf das eingangs genannte Startkommando hin wird das Seil gespannt. Zuerst scheint es so, als würde sich der Segler langsam in Bewegung setzen. Doch die stark motorisierte Winde hat eher die Wirkung eines Katapults. Mit beeindruckender Lässigkeit lässt die kraftvolle Zugmaschine selbst Boliden Marke Porsche oder Lamborghini hinter sich. In 2 Sekunden von Null auf Hundert lautet die Benchmark. Der Fluggast wird mit atemberaubender Geschwindigkeit im spitzen Winkel nach oben getragen, bis das Flugzeug über der Winde schwebt und das Seil gelöst werden kann. Das Kribbeln im Bauch, das der anschließende Gleitflug verursacht, ist mit nichts zu vergleichen und hat durchaus Suchtpotenzial.


Manuel S. aus der Klasse 6c ist klar zum Einsatz im Cockpit.


In sanften Kurven lässt Pilot und Fluglehrer Rainer Wenz den Segler nach oben steigen. Immer kleiner werden die Menschen auf dem grünen Rechteck, während die Weite des Himmels zur Exkursion verlockt. Unter Anleitung des Lehrers dürfen die Schüler die eine oder andere Kurve selbst fliegen. Manuel ist sogar mutig genug, einen vom Fluglehrer gelenkten Looping zu wagen. Am Ende sind sich alle, die wieder festen Boden unter den Füßen haben, einig: Das war auf keinen Fall das letzte Mal.

Für die Schüler liegt die eigene Fluglizenz fast schon in greifbarer Nähe. Ab einem Alter von 14 Jahren kann mit der Ausbildung begonnen werden. Im Schnitt dauert es zwei Jahre, bis man einen Segelflieger in Eigenregie lenken kann. Je nach persönlichem Engagement, Auffassungsgabe sowie dem Gefühl für den Umgang mit der Technik kann es schneller gehen oder auch länger dauern. Informationen zum Aeroclub Oppenheim-Guntersblum e.V. sowie zur Ausbildung im Besondern finden Interessierte auf der Homepage www.aeroclub-oppenheim.de

Für AG-Leiter und Hobby-Segelflieger Peter Cuny hat sich nicht nur ein lang gehegter Traum erfüllt, für ihn ist auch das Konzept der AG aufgegangen. "Mit Kopf, Herz, Hand und Verstand" wurde ins Leben gerufen, um wissbegierigen Schülern der fünften und sechsten Klassen natur- wie geisteswissenschaftliche Inhalte auf lebendige Weise nahe zu bringen. Das ist in geradezu beispielhafter Weise gelungen. In der Folgewoche steht wieder der zweite Schwerpunkt auf dem Programm: ein Theaterstück über die Physikerin Marie Curie, welches in Zusammenarbeit mit sehr engagierten Eltern entstanden ist. Die Schul- und Stufenleitung der IGS hegt aber bereits neue Pläne. Ob auf den Brettern der Welt oder über den Wolken - für sie steht fest: Diese Art von Schule öffnet den Schülern neue Horizonte.


Physiklehrerin Verena Scholian wird startklar gemacht, während Julia K. bereits mit dem Schleppseil wartet.